20. September 2023

Wenn Räume inspirieren

INTERVIEW MIT CHRISTIAN SKEIDE UND PATRICK NITZSCHE-KUNATH

Wandgrafiken verbinden visuelle Gestaltung mit Storytelling und erwecken dabei Marken zum Leben. In einem Gespräch mit unseren beiden Experten Chris und Patrick erfahren wir alles Wissenswerte.

Welchen Mehrwert bietet grafische Raumgestaltung für unsere Kund:innen?

CHRIS: Grafische Raumgestaltung geht weit über eine reine Farbgestaltung von Wandflächen oder Dekoration hinaus. Zum einen ist sie häufig inhaltsgetrieben, identitätsstiftend und inspirativ, zum anderen kann sie den gesamten Charakter eines Raumes verändern und sogar die Wahrnehmung der Nutzer:innen steuern.

Zentralnorden Case – Spatial Design für die Märkische Allgemeine
Zentralnorden Case – Brand Space Design für Delivery Hero

PATRICK: In jedem Projekt versuchen wir eine maßgeschneiderte Lösung für Kund:innen, Ort und Nutzer:innen zu finden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es „nur” die dezente Markierung der Damentoilette ist, oder eine den gesamten Raum beeinflussende Großgrafik. Es soll immer mehr sein, als nur Dekoration. Nutzer:innen sollen sich darin wiedersehen. Die Grafiken können dabei ganz unterschiedliche Funktionen erfüllen. Von der Stärkung der Marke oder bestimmten Themen, bis hin zu Orientierung im Raum für die Nutzenden.

Zentralnorden Case – Signage für Accenture

Gelegentlich rufen wir durch unsere Grafiken auch dazu auf zu partizipieren und das Artwork in einem vorher abgesteckten Rahmen weiter zu entwickeln. Das gibt ihnen das Gefühl des „Mitgestaltens” und macht natürlich auch unheimlich viel Spaß.

Wer definiert den Inhalt der Grafik? Wird dieser immer vom Kunden vorgegeben?

CHRIS: So unterschiedlich die Auftraggeber:innen so unterschiedlich ist auch das Thema Inhalte. Manche haben schon sehr genaue Vorstellungen, was sie darin erzählen wollen. Andere wiederum haben einen ganzen Wust an Themen, die wir dann strukturieren und in eine Gestaltung übersetzen. Es gibt auch Fälle, in denen der einzige feste Bestandteil des Auftrags darin besteht, dass der Raum grafisch gestaltet werden soll, jedoch noch keine klaren Vorstellungen bezüglich des Inhalts existieren. In dem Fall schalten wir dem Gestaltungsprozess ein oder mehrere Arbeitstreffen vor, in dem wir gemeinsam mit dem Kunden die Themen erarbeiten und den inhaltlichen Rahmen festgelegen, der die Grundlage für die spätere Gestaltung bildet. Dabei ist das Ergebnis für uns immer offen.

PATRICK: Die Themen für eine Gestaltung können aus sehr unterschiedlichen Richtungen kommen: Soll die Marke eher plakativ spürbar sein? Soll etwas über die Identität des Ortes erzählt werden? Wird es eine geschichtliche Erzählung? Unternehmenserfolge? Werte? Daten? Die Liste der Möglichkeiten ist unendlich lang.

Zentralnorden Case - Wandgrafiken für Accenture

Wie stellt ihr dabei sicher, daß der vorgestellte Entwurf auch so im Raum umgesetzt wird? Die Techniken die eingesetzt werden sind ja sehr unterschiedlich.

PATRICK: Die Kreativarbeit einiger unserer Gestalter:innen hat ihren Ursprung in der Graffiti Szene, mit der sie auch immer noch eng verbunden sind. Sie haben ihr Handwerk mit zu Zentralnorden gebracht. Dazu kommt jahrelange Erfahrung im Umgang mit Marken. Unsere Mitarbeiter:innen füllen teilweise mehrere Rollen zugleich aus. Konzept, grafische und räumliche Gestaltung, Planung und Realisierung werden in kleinen Teams von ein bis drei Personen realisiert, wodurch es kaum Reibungsverluste gibt. Zudem haben wir die Möglichkeit durch unser Netzwerk die Teams in Größe und Kompetenzen zu skalieren.

Zentralnorden Case – Wandgrafiken für die Handwerkskammer Potsdam

Von wem werden wir klassischerweise beauftragt, bzw. an welchen Orten werden die Grafiken häufig eingesetzt?

CHRIS: Bislang drehen sich die meisten Anfragen rund um das Thema Bürogestaltung. Die Anfragen kommen dann von den beauftragten Architekt:innen, oder direkt von den Kund:innen, die auch die Räume nutzen und einen zusätzlichen Mehrwert für Mitarbeitende und Besuchende schaffen wollen. Aber auch in den Bereichen Ausstellungsgestaltung, Messe, Events und Live Paintings kommt dieses Format zum Einsatz.

Zentralnorden Case – Wall Art für Lollapalooza

Gibt es einen bestimmten Stil, den ihr immer wieder einsetzt, oder seid ihr flexibel in der Technik?

PATRICK: Unser gestalterisches und technisches Spielfeld ist unheimlich groß und erweitert sich mit jedem Projekt. Angefangen bei zweidimensionalen Techniken wie Handzeichnungen, Sprühgrafiken, Schablonierungen, Folierungen und Tapeart, bis hin zu baulich teils komplexen, dreidimensionalen Themen wie Intarsien, Mischtechniken oder Sonderbauten aus unterschiedlichen Werkstoffen. Dabei versuchen wir jedes mal auch unseren eigenen Horizont zu erweitern und neue Dinge auszuprobieren.

RAUMGESTALTUNG UND WALL GRAPHICS MADE BY ZENTRALNORDEN

Bock auf Wandgrafiken oder ein gemeinsames Projekt? Melde dich direkt hier:


Christian Skeide: Interior Designer bei Zentralnorden

CHRISTIAN SKEIDE

Zentralnorden, Interior Design – 12 Jahre Projekterfahrung als Gestalter und Planer an der Schnittstelle zwischen Raumgestaltung und Experience Design. Klassische Ausstellungsformate u.a. für das Haus der Geschichte oder das Vereinsmuseum von Borussia Dortmund. Szenografische Markenräume für Brands wie Bertelsmann, Delivery Hero oder Microsoft.

PATRICK NITZSCHE-KUNATH

Zentralnorden, GrafikdesignSeit bereits 10 Jahren arbeitet Patrick als Art Director und Senior Kommunikationsdesigner bei Zentralnorden. In dieser Funktion hat er an zahlreichen Kampagnen, Erscheinungsbilder, Ausstellungen, Konzepte und Brandmurals für verschiedene Kunden wie Accenture, BMW, Mercedes und viele andere mitgewirkt. Dabei nutzt er seine Expertise als Art Director und Illustrator, sowie als Künstler, um erfolgreiche Designlösungen und Konzepte zu entwickeln. Seine Leidenschaft für die Kunst spiegelt sich in seiner Kreativität und seiner Arbeit wider.

Patrick Nitzsche: Art Director bei Zentralnorden

16. Mai 2023

Nein „Unsere Grundwerte, die sind nicht verhandelbar!“ Danke. – Teil 2

Geld verdienen und die Welt verbessern? Die einen meinen, das sei ein Luxus, den sie sich nicht leisten können. Die anderen wüssten gar nicht, wo sie da (bei sich) anfangen sollten. Einige, die machen einfach. Die probieren. Die scheitern. Die lernen. Und bewirken positive Veränderungen. Bei ihnen gehören Themen wie Nachhaltigkeit, Klimaschutz oder soziales Engagement zum Alltagsgeschäft dazu. Ohne eine klare Haltung zum gesellschaftlichen Leben und zur Verantwortung als Unternehmen ginge es gar nicht mehr. Aber auch sie haben irgendwann einfach mal angefangen.

Hier Teil 1 lesen.

INTERVIEWS Nina Apelt & Denise Bliesener

Wir haben mit zwei routinierten Hasen in Sachen Nachhaltigkeit gesprochen. Und festgestellt: Auch mit Fußball (Teil 1) und Eiscreme kann man viel Gutes bewirken – abgesehen von der Freude am Sport und dem süßen Genuss. Dass die beiden ausgerechnet aus Hamburg kommen, muss wohl Zufall sein.

» Sobald man eine klare Haltung einnimmt, begegnet man auch Menschen, die eine andere Position vertreten.«

EIN GESPRÄCH MIT NILS KNOOP, BEN & JERRY'S (Interview von 2021)

Ben & Jerry‘s ist schon lange aus seinen Kinderschuhen rausgewachsen. In Sachen Nachhaltigkeit zählt ihr aus unserer Sicht zu den Vorreitern. Oder sind solche Gedanken bei euch auch erst mit der Zeit dazugekommen?

Das war schon Grundgedanke von Anfang an. Ben Cohen und Jerry Greenfield haben sich in der High School kennengelernt und hatten die Idee, ein Business zusammen zu machen – ohne genau zu wissen was genau und wie sowas eigentlich geht. Ursprünglich sollten es Bagels werden! Aber da war das Equipment zu teuer, und nach einem Crashkurs ist es dann eben Eiscreme geworden. Sie verstanden sich nicht als Geschäftsmänner, sondern wollten ihr Business anders führen, als es zu der Zeit üblich war.

Die zwei Grundgedanken lauteten: „If it‘s not fun, why do it?“ und „Als Unternehmen trägt man Verantwortung für die Gesellschaft, in der man lebt und agiert.“ Das daraus resultierende 3-Part-Mission Statement von 1988 hat bis heute Bestand. Es geht um drei gleichwertige Säulen: Erstens um Produktqualität mit guten Zutaten, heute heißt das z.B. Fairtrade, oder unser eigenes Milchprogramm Caring Dairy. Als zweites geht es darum, wirtschaftlich gesund zu handeln. Wir nennen es Linked Prosperity. Jedes Glied aus der Wertschöpfungskette soll profitieren. Als drittes Element gibt es die Social Mission, den Anspruch, sich gesellschaftlich für Gerechtigkeit zu engagieren. Das Besondere dabei: Diese drei Säulen sind absolut gleichwertig.

Ben & Jerry‘s gehört jetzt seit knapp 20 Jahren zu Unilever. Hat das was verändert?

Klar hat sich die Marke in den letzten 20 Jahren verändert. Wäre auch schlimm, wenn nicht, finde ich. Den beiden Gründern war es beim Verkauf aber sehr wichtig, ihre Werte und vor allem die Social Mission von Ben & Jerry‘s zu erhalten. Das führte zu einem recht einzigartigen Kaufvertrag, der festschreibt, dass es ein unabhängiges Gremium gibt, das „independant board of directors“. Diese unabhängige Instanz soll das Herz von Ben & Jerry‘s, wie sie es genannt haben, schützen. Der CEO von Ben & Jerry‘s hat daher zwei „reporting lines“: in die Unilever-Welt und in das Board. Und dort sitzen vor allem aktive Sozial- und Umweltaktivist:innen, keine Geschäftsleute.

Wir müssen an Philip und Waldemar von Einhorn denken, die ihr Unternehmen durch die Beteiligung der Purpose-Stiftung unverkaufbar gemacht haben. Aus Ben & Jerry‘s Perspektive ist so eine Diskussion also gar nicht neu?

Da muss man schon unterscheiden. Purpose Stiftung, gemeinnütziges Eigentum, das ist doch noch einmal anders und weiter gedacht – und eine grandiose Entwicklung. Und ich könnte mir vorstellen, dass auch Jerry und Ben dieses Modell durchaus spannend finden. Unilever und somit auch Ben & Jerry‘s ist und bleibt aber shareholder driven. Das soziale Engagement steht wie gesagt außer Frage. Aber die Aktionäre wollen definitiv auch bespaßt werden.

Eine US-Marke, die sich in Europa politisch engagiert. Ein milchproduzierendes Unternehmen für den Klimaschutz? Hört sich spannend an.

Ja klar. Da gibt es intern wie extern diverse Spannungsfelder. Das Thema Klimaschutz ist für uns als Eiscreme-Company per se ein schwieriger Balanceakt, weil wir Teil des Problems sind. Trotzdem versuchen wir, unseren Fußabdruck kontinuierlich zu verkleinern und orientieren uns bei der Formulierung unserer Ziele an den Science Based Targets. Zudem gibt es seit einigen Jahren super leckere vegane Sorten und wir planen, unsere Range hier weiter auszubauen.

Neben dem Klimaschutz engagieren wir uns vor allem auf sozial-politischem Terrain, das auf unseren Werten basiert und soziale Ungerechtigkeiten bekämpft. Wir setzen uns für Geflüchtete in Europa ein. Dabei geht es gemeinsam mit Sea-Watch um Seenotrettung im Mittelmeer, mit #LeaveNoOneBehind um die Evakuierung der Camps auf den griechischen Inseln und an den europäischen Außengrenzen sowie mit Start with a Friend Geflüchtete und Locals auf Augenhöhe zusammenzubringen. Wir haben hier eine sehr klare Haltung wie zum Beispiel zur Ausweitung der Aufnahmeprogramme in Deutschland. Das führt zu Kontroversen. Für unsere Aktionen bekommen wir nicht von jedem Applaus. Das ist okay. Denn ich glaube sobald man eine klare Haltung einnimmt, begegnet man auch Menschen, die eine andere Position vertreten.

Im Kommunikationsbereich, im Community Management, in den sozialen Medien, aber auch der Presse gegenüber begegnen wir täglich neuen Herausforderungen. Und auch wir entwickeln uns permanent weiter. Hier in Deutschland zum Beispiel waren wir vor fünf Jahren noch auf einem ganz anderen Level und mussten uns erstmal zurechtfinden. Heute arbeiten wir mit vielen tollen NGOs zusammen. Die hatten zu Beginn auch durchaus Vorbehalte. Dachten, dass wir beim ersten Shitstorm oder der ersten, schwierigen Situation gleich wieder abspringen würden, um keinen Imageverlust als Marke zu riskieren. Doch wir sind weiter dabei und setzen auf langfristige Partnerschaften, wie z.B. mit der Amadeu Antonio Stiftung.

Für unsere sozialpolitische Arbeit brauchen wir die Unterstützung der NGOs als Expert:innen, als Insider:innen. Auch um einen für uns machbaren Ansatz zu finden. Uns beschäftigt immer die Frage, welche Rolle können wir überhaupt spielen? Für uns reicht es nicht, nur Aufmerksamkeit zu generieren. Wir wollen Veränderung schaffen, nennen das „impact driven“. Wir kennen aber auch unsere Grenzen und wenn wir keinen Mehrwert bieten können, macht es keinen Sinn, sich zu engagieren nur um sich zu engagieren.

Wie reagierst du auf die Unterstellung, dass ihr doch nur Marketing betreibt, wenn auch auf hohem Niveau?

Generell finde ich total gut, wenn kritisch nachgefragt und hinterfragt wird. Ich komme aus dem Marketing, aus der Kommunikation und natürlich möchte ich die Marke positiv darstellen. Ich liebe es, tolle Stories zu erzählen und eben ein positives Image zu kreieren. Dazu gehört für mich aber auch, dass wir kritischen Fragen standhalten. Fragen nach unserer Motivation, nach der Ernsthaftigkeit oder der langfristigen Absicht. Die Menschen sind kritischer geworden und gehen mehr in die Tiefe. Vor allem die nächste Generation. Ich begrüße das.

Bei Ben & Jerry‘s nennen wir das, was wir machen, werte-basiertes Marketing. Wir scannen nicht erst, was gerade so „in“ ist, um dann auf den fahrenden Zug aufzuspringen. Wir suchen nach Themen, die zu uns als Marke passen, wo wir einen Mehrwert bieten und echte Veränderung schaffen können. Wir hören in uns hinein und schauen, wo uns Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft auffallen, die unseren Werten entgegen stehen. Dabei stehen wir nicht immer an vorderster Front sondern fühlen uns auch sehr wohl in der Rolle hinter den Kulissen ohne darüber viele Worte zu verlieren.

Empfindest du es als Luxus, dass ihr Freiheit und Budget für solche Aktionen habt, die nichts mit eurem eigentlichen Produkt zu tun haben?

Ich denke, dabei geht es eben um das eigene Verständnis der Marke bzw. davon, wie man Business macht. Wie agiere ich in der Gesellschaft? Welche Verantwortung trage ich als Unternehmen? Momentan ist es doch weniger die Politik, als vielmehr mächtige Unternehmen, die die Welt in die eine oder andere Richtung lenken. Als Eismarke haben wir vielleicht den Luxus, dass wir Leute schnell und einfach erreichen, weil wir leichter einen positiven Einstieg hinbekommen. Denn wenn wir ehrlich sind, wer mag schon kein Eis? In diesem Sinne sehe ich uns in einer gewissen Luxusposition, so eine „Love Brand“ zu sein. Ich beschreibe unsere Rolle gern als Lautsprecher. Wir können durch unsere Reichweite andere Zielgruppen erreichen als z. B. bestimmte NGOs. Können andere Menschen, unsere Fans, ansprechen und für Themen begeistern, die sonst vielleicht nicht so in ihrem alltäglichen Leben stattfinden, auch mit einer anderen Sprache.

Andererseits muss man auch sehen: Wir sind hier in der westlichen Welt. Super privilegiert. Ich bin männlich, hetero, in Deutschland geboren und kenne eigentlich keine Diskriminierung, geschweige denn Rassismus gegen mich. Das empfinde ich als riesen Privileg und daraus entsteht, meiner Meinung nach, auch Verantwortung. Wenn man also Privilegien und Luxus gleichsetzt, dann bewegen wir uns schon in einem recht luxuriösen Rahmen.

» Sie dachten, dass wir beim ersten Shitstorm oder der ersten schwierigen Situation gleich wieder abspringen würden, um keinen Imageverlust als Marke zu riskieren.«

– Nils

Hand aufs Herz: Gilt das, was ihr nach außen kommuniziert auch nach innen?

Auf jeden Fall wird gern und viel diskutiert (lacht). Das kannte ich von anderen Unternehmen vorher nicht. Das soziale Engagement und eine klare Haltung zu zeigen, ist für viele der Grund, bei Ben & Jerry‘s zu arbeiten. Bei den mehrtägigen Europa-Meetings oder globalen Zusammenkünften geht es überspitzt gesagt am ersten Tag immer ganz konkret um Business, Retail und neue Produkte. Neue Eissorten rufen natürlich großen Enthusiasmus hervor. Aber dann, dann wird die übrigen Tage leidenschaftlich über soziales Engagement diskutiert. Wo können wir noch mehr bewirken? Was wollen wir intern verbessern?

Auch bei uns finden wir immer wieder Themen, bei denen wir uns verbessern können. Angestoßen von der Bewegung nach dem Tod von George Floyd gab es einen starken Post von den US-Kollegen, die seit Jahren die Black Lives Matter Bewegung unterstützen. Dabei ging es darum, die White Supremacy, also weiße Überlegenheit, zu überwinden und sich gegen Rassismus und für Chancengleichheit einzusetzen. Wir wissen, dass wir ein eher weißes Unternehmen sind. Und seitdem gibt es einige Arbeitsgruppen, die das Thema Diversity, Inclusion und Equity bei uns angehen, um Worten auch Taten folgen zu lassen.

Think global, act local?

Fest steht global nur der Rahmen: soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz. In der Umsetzung sind wir lokal sehr eigenständig. Und das ist auch wichtig, denn wir können vor Ort am besten beurteilen, wo und wie wir Dinge beeinflussen können. So entstehen auch tolle Kooperationen wie z.B. der Melting Pott, den wir hier in Hamburg mit dem FC St. Pauli entwickelt haben: ein Eisbecher für eine buntere Gesellschaft.

Auch in diesem Bereich wachsen wir und entwickeln uns. Als ich vor etwa fünf Jahren bei Ben & Jerry‘s angefangen habe, da wussten die Leute aus der Kinowerbung: cooles Eis, gute Zutaten, lustig und ein bisschen Hippie. Das war‘s dann aber auch. Heute werden wir immer mehr auch als sozial engagiert und mit klarer Haltung wahrgenommen. Das freut mich.

» Es braucht auch Mut, dass man als Unternehmen Verantwortung trägt.«

– Nils

Steigen dir NGOs aufs Dach, wenn ihr euch als Aktivist:innen von Ben & Jerry‘s vorstellt?

(lacht) Nein, wir bekommen eher eine überraschte Reaktion, wenn es heißt, dass Teile unseres Teams nichts mit dem Produkt Eis zu tun haben, sondern sich ausschließlich um die Social Mission kümmern. Und tatsächlich kommen auch immer mehr NGOs auf uns zu. Unsere Rolle als Social Activists ist ziemlich einzigartig. Ich kenne nur wenige andere Firmen, Patagonia z. B., die diese Rolle so oder so ähnlich überhaupt haben. In diesem Zusammenhang stärkt es unsere Glaubwürdigkeit, dass wir in den Rollen teilweise zwischen Produkt und Aktivismus unterscheiden. Mein Kollege, der direkt mit den NGOs spricht, kann reinen Herzens sagen: „Hey Leute, ich habe mit dem Produkt gar nichts zu tun. Mir geht es nur um soziales Engagement.“ Das hilft, um nicht so zwischen den Stühlen zu sitzen. Da sitze ich dann eher (lacht).

Ich glaube bei Ben & Jerry‘s zieht sich der Anspruch, sich zu engagieren durch alle Bereiche und durch alle Rollen und diesen Enthusiasmus merkt man immer wieder, wenn es darum geht, Kampagnen zu bauen und Veränderung zu schaffen.

Mal nebenbei: Wie viel Eiscreme isst du eigentlich (noch)?

Ach, das hab‘ ich noch nicht über. Wir haben gerade die neuen Sorten für 2021 probiert und da sind schon wieder grandiose Dinge dabei. Ich bin nicht der Typ, der so einen ganzen Becher am Abend leert. Meine Herausforderung ist vielmehr: Wenn ich zum Abendessen eingeladen werde, dann wird natürlich erwartet, dass ich auch Eis mitbringe. Und auch zu Hause wird sich lauthals beschwert, wenn kein Eis mehr im Tiefkühlschrank zu finden ist oder durch Tunnelbau im Becher keine Chunks und Swirls mehr übrig sind.

Viele Unternehmen zögern noch, unabhängig von ihrem Produkt, klar Stellung zu gesellschaftlichen oder politischen Themen zu beziehen, aus Angst, damit Leute zu verlieren. Was ist deine Einschätzung dazu?

Das ist schade, es ist einfach ein total spannendes Feld. Aber es braucht definitiv auch eine gehörige Portion Mut und die Überzeugung, dass man als Unternehmen Verantwortung trägt. Außerdem kann diese Auseinandersetzung auch helfen, seine Marke oder den Markenwert zu schärfen. Es hilft, meiner Meinung nach, auch bei strategischen Entscheidungen. Ebenso im War for Talent. In Zukunft wird es immer wichtiger werden, eine klare Haltung einzunehmen und zu zeigen, wofür man steht, und wofür nicht. Um nicht nur Kunden, sondern auch die Menschen ins Team zu bekommen, die man gerne hätte. Vor zwei Wochen hatte ich einen Gastvortrag bei der ESCP, Master-Studiengang Sustainability. Ich habe gefragt: Was sind die Unternehmen, für die ihr arbeiten wollt? Und es wurden durch die Bank weg nur solche transparenten, nachhaltigen Unternehmen genannt.

Sind die Leute dann auch bereit, unter Umständen weniger zu verdienen?

Ein guter und wichtiger Punkt. Im besten Fall wird sich das eines Tages angleichen oder sogar umkehren. Ich hoffe das sehr. Dass man nicht mehr zwischen dem einen und dem anderen abwägen muss. Also nicht zwischen meinen eigenen Werten und Gutes zu tun oder eben viel Geld zu verdienen. Aktuell muss man diese Entscheidung wohl teilweise noch für sich treffen, aber ich bin davon überzeugt, dass diese Art von Unternehmen zukünftig noch erfolgreicher sein werden und somit diese Lücke sehr bald schließen werden.

Uuups, die Zeit ist schon rum. Jetzt haben wir uns gerade warm geredet und würden gern noch ein wenig rumphilosophieren. Das machen wir dann das nächste Mal! Danke fürs Gespräch.

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NILS KNOOP

Ehem. Ben & Jerry's, Integrated Marketing & CommunikationsNils ist das, was man heutzutage einen digitalen Nomaden nennt. Darum ist er wohl eher an den Stränden von Neuseeland, Portugal, El Salvador und den Lofoten anzutreffen, als in seiner Wohnung in Hamburg St. Pauli. Als ehemaliger Sportjournalist, Kommunikationsmanager bei Nike, Digital und Social Media Freelancer und schließlich als Integrated Marketing & Communication Manager und Behind-the-Scenes Brand Activist bei Ben & Jerry's liebt er es, Menschen und Marken durch innovative Strategien zu positionieren und die Gesellschaft positiv zu verändern. Heute ist Nils Director Global Marketing & Communications bei Plastic Credit Exchange (PCX) benjerry.de

15. Dezember 2022

Mit offenen Herzen über den Tellerrand surfen

AKTIVISMUS IN DER WERBUNG?

Wir haben neulich einige Menschen von Loyalsea kennengelernt. Loyalsea ist eine Gruppe von Forscher:innen und Filmer:innen, von Surfer:innen und Strateg:innen, von Menschen, die 100% remote arbeiten, verteilt auf zwei Kontinenten und in fünf Ländern.

INTERVIEW Maja Hoock

Das internationale Team hat aus seiner Leidenschaft zu Reisen und seinen diversen Lebensentwürfen ein Businessmodell entworfen – mit dem Ziel, unsere Wahrnehmung von Marken (und Menschen) nachhaltig zum Besseren zu beeinflussen. Mal anderen als den ausgetretenen Pfaden zu folgen. Mit offenem Blick Menschen zu begegnen.

Werbebilder verkaufen ein Szenario, einen Möglichkeitsraum. Sie erzeugen Resonanz und damit Relevanz (denn dafür geben Konsument:innen Geld aus). Wir alle sehnen uns nach relevanten Geschichten und Darstellungen, in denen wir uns wiederfinden können, nach „Rolemodels“, die aus der Mitte kommen, bezugsfähig, spannend und real. Das Ziel von Loyalsea: Diversität zur neuen Norm zu machen – nicht nur als Notlösung zur Wiedergutmachung nach dem letzten Shitstorm.

FÜNF FRAGEN AN KATHARINA KIÉCK

Spannenden Menschen und ihren Geschichten zu begegnen, die Welt zu entdecken und Spaß bei der Arbeit zu haben. Was will man mehr?

Wir wollen weg vom inhaltlosen Hochglanz und von Rollenbildern, die uns falsche Ideale in den Kopf setzen und an die man als Contentagentur selbst nicht mehr glauben kann. Wir wollen Denkanstöße geben, für nachhaltige Begegnungen mit der Natur sensibilisieren und unsere Auftraggeber:innen dazu bringen, ihre eigenen Klischees zu hinterfragen.

Was ist dir bei deiner Arbeit wichtig? Und wie umgehst du Klischees?

Menschen: Die sind und werden immer das Wichtigste sein. Wir binden Sportler:innen, Künstler:innen, Aktivist:innen etc. extrem in die Produktion ein. Versuchen nicht unsere oder die Kundenvision, sondern das Verständnis eines Sports oder eines Lebensstils aus Sicht der Menschen zu zeigen, die wir filmen. Ich drehe keine Szene in der ein Downhill Mountainbike dramatisch Sand aufwühlt, wenn mir die Sportlerin sagt, dass man den Track respektieren sollte. Dass das zwar geil aussieht, aber unter Fahrer:innen als nicht authentisch und auch falsch gesehen wird.

Eure Models sind nicht die gewohnten, glatten Persönlichkeiten. Wie castet ihr?

Wir sprechen nicht von casten oder Models. Wir lernen über unser Netzwerk immer wieder spannende Persönlichkeiten kennen und versuchen, sie in Projekte einzubinden. Das ist nicht immer einfach beim Shooting, weil man mehr Zeit einplanen und viel mehr reale Emotionen „produzieren“ muss, macht es aber auch so viel spannender.

Da kommt ein:e Auftraggeber:in und hätte gern hübsche Bikinimädels vor Palmen auf dem Surfbrett. Welchen Rat gebt ihr?

1.) Das nicht zu produzieren, denn damit gewinnen sie heute keinen Blumentopf mehr.
2.) Wen anders zu fragen, wenn sie nach wie vor glauben, es sei sinnvoll!

Ihr wollt neue Rolemodels etablieren. In eurem Insta-Account sieht es aber doch sehr schön und glatt aus. Müsst ihr euch auch selbst mal an euren Vorsatz erinnern?

Auf jeden Fall. Wir haben ein paar Grundsätze (die es zu erweitern gilt), die uns helfen. Zum Beispiel retuschieren wir Menschen nicht, fassen Gesichter und Körper in der Postproduktion nicht an. Am Set gibt es extensive Verhaltensbriefings für Nachhaltigkeit und gegen Sexismus etc. Aber auch wir lernen jeden Tag und arbeiten daran, unseren Werten immer gerechter zu werden.

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KATHARINA KIÉCK

Loyalsea, CEODie Anthropologin und leidenschaftliche Surferin wollte ursprünglich Museumskuratorin oder Mixed Martial Arts-Profi werden – weit entfernt von ihrem aktuellen Ansatz, mehr Diversität in heutige Medien- produktionen zu bringen. Dazwischen arbeitete sie als Futuristin, Markenstrategin bei Twitter und CSO bei einem Start-up für künstliche Intelligenz. — loyalsea.com

15. Juli 2022

Du bist vielleicht ’ne Marke

Wir entwickeln Marken. Typisches Szenario: Da kommt dieses Start-up mit einem neuen Produkt oder das Unternehmen mit Innovationsdruck zu uns und fragt, ob wir (schnell) helfen können, daraus eine Marke zu entwickeln.

So fangen viele Liebesbeziehungen bei Zentralnorden an. Aber wie bei Beziehungen üblich, geht es irgendwann ans Eingemachte: Reden wir eigentlich über die gleichen Dinge? Haben wir ein ähnliches Werteverständnis? Begegnen wir uns auf Augenhöhe? An diesem Punkt zerbrechen manche Beziehungen und jede:r geht mal mehr oder weniger glücklich ihrer/seiner Wege. Wir sind an Langzeitbeziehungen interessiert! Deswegen suchen wir uns Kund:innen mit denen wir über längere Zeiträume hinweg zusammenarbeiten, pflegen ein gutes Verhältnis und gemeinsam vertretene Ziele. So entsteht eine Markenführung, die Kund:innen und Agentur glücklich macht.

WIE GESTALTEN WIR DEN PROZESS EINER MARKENENTWICKLUNG?

Woher kommen die Puzzleteile, die das große Ganze ergeben? Wir sind uns sicher: aus dir/euch selbst! So geht es im ersten Schritt immer um die Werte der Menschen, die das Geschäftsmodell maßgeblich mit aufgebaut haben. Wofür brennen sie? Was hat sie letztendlich dazu bewogen, ihr Business aufzubauen? Haben sich „Bullshit-Werte“ eingeschlichen, an die keine/r mehr recht glaubt und die in ihrer Beliebigkeit komplett austauschbar sind? Wir meinen: Hinter jeder langfristig erfolgreichen Marke stehen einfache, glaubhafte Werte. Jede erfolgreiche Marke wurde von innen heraus entwickelt. Diese Grundlage bildet zugleich einen großen Benefit unseres Tuns: Wir arbeiten Kernwerte heraus und fördern dadurch intrinsisch motivierte Mitarbeiter:innen. So entsteht eine Marke mit Bestand, die von den Mitarbeiter:innen getragen wird – und von ihren Kund:innen verstanden und geliebt.

Klingt nach viel Denkarbeit. Ist es auch. Zum Kreativsein gehört Spaß aber unbedingt mit dazu. Das heißt, wir versuchen, ob digital oder analog, Methoden zu finden, bei denen wir lachen können, um nicht zu verkrampfen. Dazu gehören eine großzügige Portion animierte Gifs, gutes Essen und super Kaffee. Wenn es um rein digitale Workshops geht, schicken wir den Teilnehmer:innen auch schon mal ein kleines Carepaket mit Snacks, Drinks und passender Spotify-Playlist. In diesem Setting und durch strategische Wegweiser oder Kreativtechniken werden oft überraschend einfache, aber überzeugende Kernwerte geboren.

Ist der Kern der Marke gefunden, erweitert sich das Team und dann kommen endlich Farbe und Form ins Spiel. Art-Direktor:innen helfen dabei, die gefundenen abstrakten Werte in erste Grafikelemente zu übersetzen. Wir glauben daran, dass man schon sehr früh gemeinsam, also im Team von Agentur und Kund:in, die grundlegenden Dinge erarbeiten sollte. Mit einer Art „partizipativen Designs“ fühlen wir uns wohl. Auch wenn es uns und unseren Kund:innen viel abverlangt. Hier gibt es mehr Abstimmungsschleifen und Raum für Diskussion. Am Ende steht ein Design, das Substanz hat und nachhaltig ist.

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Autor des Texts: Sören Klingsporn

SÖREN KLINGSPORN

CEO & Strategy bei Zentralnorden

Dein direkter Kontakt zu Zentralnorden: Royko
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